Stühlingen ein langgezogenes Dorf am Eingang der Wutachschlucht. Leider keine rechten Läden und auch der Bahnhof fehlt. Ausser, dass da ein Schild auf einen leeren Fleck zeigt. Aber egal.
Mittagssonne brennt Löcher in die Atmosphäre, während ich Schritt für Schritt Höhe überwinde. Die Riemen des prallen Rucksacks drücken auf meine Schultern und beide Getränkeflaschen sind bald leere Hüllen aus Plastik. Die nächsten Tage werde ich zu Fuss unterwegs sein, mit Sack und Pack. Nach vorne blicken und losmarschieren, so lautet das Motto. Auf der Karte ist der Ostweg durch den Schwarzwald verzeichnet, ein Fernwanderweg mit einzelnen Etappen. Eigentlich braucht man bloss der schwarzroten Raute zu folgen, doch die kleinen Blechschilder sind manchmal ziemlich versteckt. Der Pfad gehört mir und nur selten höre ich in der Ferne (wie in Watte verpackt) Stimmen. Gedanken geraten in einen friedvollen Schlummerzustand und regen sich kaum. Schlafende Hunde, so kann man es auch nennen. In der Talsohle endlich wartet eine Einkehrgelegenheit. Zwei Jungs trinken hier Bier und bleiben bei sich, so, wie es sein muss. Die Wirtin stellt allen dieselben Fragen und rät davon ab, das Wasser des Flusses (eher: Bach) zu trinken. Ein älterer Stammgast, vielleicht auch der Ehemann, lacht. Er sei hier aufgewachsen und dennoch am Leben. Wir beäugen ihn zweifelnd.
Der Weg nach Achdorf gerät der brütenden Hitze wegen zum Mumifizierungsprozess. Mein Pfad schlängelt sich Felswänden entlang durch stummen Wald. Vereinzelt zirpen Vögel und im Unterholz raschelt es zuweilen. Die Zunge klebt trocken am Gaumen und ich muss aufpassen, dass ich sie nicht versehentlich schlucke. Beim Dorfeingang hustet ein rettender Brunnen. Der grüne Gartenschlauch, welcher ihn dürftig mit Wasser versorgt, verschwindet irgendwo im Gestrüpp. Ich leere mir das Nass über den glühenden Kopf und schütte es in die ausgedörrte Kehle. Wie der glorreiche Halunke Tuco, bloss keine Schiessübung im Anschluss. Oder Schnaps aus der Flasche. Auch kein Clint Eastwood der 60er, aber das weisst Du ja mittlerweile.
Nach einer Kurve erblicke ich durch zusammengekniffene Augen das Landgasthaus, welches sich wie eine mittelalterliche Trutzburg vor mir aufbaut. Über den Namen kann man sinnieren, doch ein Schild gibt Auskunft. (Welches Du selbst lesen kannst, wenn du mal dort bist.) Ich stürme den Biergarten und saufe dem Kellner das Weizen aus der Hand. Der zuckt mit keiner Wimper und nimmt noch eine Bestellung auf. Klar, Sprechen fällt mir wieder leichter. Danach beziehe ich mein Zimmer. Die Wirtin ist äusserst zackig drauf, aber mit Herz. Ich dusche und falle ins wolkenweiche Bett. Abendessen dann nehme ich am selben Platz ein, nebenan ein Paar, welches sich zofft, sobald die beiden Kinder den Tisch verlassen. Eine Art Vorhang-auf-Vorhang-zu-Spiel, leider jedoch verstehe ich nicht, worum es geht, auch wenn ich die Ohren noch so spitze. Der Mann schielt ständig rüber, also aufgepasst.