Da denkt Mann sich von einem wackligen Stein zum nächsten,
wo jeweils er zur Überzeugung gelangt,
dass da ein Steg gewesen war,
und der letzte aller wackligen Steine (s)eine Insel der Gewissheit.
Dienstag, 19. Mai 2020 / Veilchenblau
Veilchenblau, wie ich dich nenne, drin in meinem Kopf, damit du nicht verloren gehst wie andere, die keine Namen tragen.
Montag, 18. Mai 2020 / Home Sweet Home
Wieder zu Hause
Akklimatisierungsquarantäne, etwa so, dabei war ich bloss um die Ecke gewesen, und auch das nur ein paar Tage. Klar, Menschen sind noch dieselben, sagen dasselbe, lachen dasselbe, schweigen dasselbe, ich aber komme mir vor wie abgetreten, wie vom andern Kontinent, wie Out of Africa. Beim Sprechen schau ich aufs Maul, und das ist dann schlecht synchronisierter Film, weil Klang total daneben, und je mehr ich drauf achte, desto frappanter wird’s.
Freitag, 15. Mai 2020 / Zürich
Nass. Kalt. Unfreundlich. Zeit läuft durch die grosse Wurstmaschine und irgendwann machts Wumm. Unweigerlich. Zahnräder fliegen durch die Gegend, womit der Moment gekommen ist, draussen eins zu rauchen. Oder zwei. Je nachdem.
Donnerstag, 14. Mai 2020 / Locarno
Piazza Grande noch vor dem Frühstück. Anna geniesst Caffè Latte & verscheucht Spatzen vom Tisch. Das bin dann ich.
Scheu linst Sonne durch die Wolken, und hat ein schlechtes Gewissen, was ich verstehen kann. Fühl mich selbst etwas elend wegen dem Bier von gestern, aber was soll’s. Zum Bahnhof schlängle ich mich durch Menschen mit Masken, und es fällt mir auf, dass man sich plötzlich wieder in die Augen schaut. Weil, wohin denn sonst?
Mittwoch, 13. Mai 2020 / Ponte Capriasca
Es schifft. Gestern noch barhäuptig Seeufer entlang geschlendert und Gedanken gesponnen, heute Kaffee unterm Schärmen. Regen tröpfelt auf die Steine der Piazza, welche daliegen wie vergessene Ostereier. Aber Ostern war gestern, und morgen geht‘s zurück. Morgen ist Donnerstag.
Doch zuerst nach Ponte Capriasca wegen dem Abendmahl. Das Fresko wird einem Leonardo Schüler zugeschrieben, aber mal ehrlich, sie wissen es nicht so genau. Am Ende wars der Meister himself, es hat schon andere Überraschungen gegeben. Jedenfalls kriegst du hier Jesu Füsse noch dazu, in Mailand haben sie dort ‘ne Tür hingemacht. Keine Füsse. Die Pfarrkirche Sant’ Ambrogio ist durch ein einfaches Portal zu betreten, und man darf drin bleiben, solange man will. Meist bist du auch alleine, ausser der Pfarrer sitzt gerade in den Bänken, und bereitet die Messe. Macht aber keinen Mucks, der gute Mann, total in sich gekehrt, wie es sich gehört. Ich stehe vor dem riesigen Gemälde, atme ein und atme aus. So geht’s, glaubs.
Samstag, 9. Mai 2020 / Niwärch
Oben in Ausserberg. So ein Klettersteig, wo die früher ihre Suonen verlegt hatten. Wasserkännel aus Birkenholz, oder direkt in den Fels gehauene Rinnen. Die spinnen, die Walliser, soviel ist mal klar.
Alle paar Meter wird eindringlich gemahnt, Tafeln mit Namen da, dort ein Kreuz. Wasser ist Leben, steht irgendwo, und das kannst du zweimal denken. Rechterhand gehts steil hinunter, senkrecht gar, und mir ist mulmig zu Mute. Bloss keinen falschen Tritt, denke ich gerade, als Mütterchen mich rassig überholt. In beiden Händen einen Gehstock, lacht sie mir zu, und verschwindet um die nächste Kante. Auch so gehts.
Mittwoch, 6. Mai 2020 / Massaweg
Mit der Gondel von Mörel nach Ried, man darf das wieder, dann den Massaweg nach Blatten. Gemütlich, gemütlich, & das tut gut, ausserhalb ein Liedchen gepfiffen, atonal, auch klar…
Dienstag, 5. Mai 2020 / Brig
Latsch mal von Brig nach Mund, und versuch, dort oben zu lächeln. Geht nicht. Und dann ist da auch noch der Regen.
Das Gasthaus St. Ursula in Brig übrigens gehört AnnA ganz alleine. Obwohl, ab und zu schaut der Verwalter rein. Er freut sich über die Gästin, und spendiert ihr das Aufpreiszimmer. Der es wohl gefällt.