Kopf

Weisst Du noch, als ich mir den zweiten Kopf habe wachsen lassen und bloss ‘ne Pustel rausgekommen ist?

Kopf (Foto: AnnA

Als klar war, dass da nichts draus wird, habe ich wie verrückt mit der Stricknadel drauf eingestochen. Erst hats ordentlich gespritzt, anschliessend ist tagelang graues Zeugs rausgeflossen. Währenddessen bin ich zu Hause auf dem Sofa gesessen und habe stündlich Kompressen gewechselt. Gaze um Gaze. Und der Geruch? Wie wenn du am Schlachthof vorbei fährst und ‘ne Nase voll Innereien kriegst. Zum du-weisst-schon. Die Narbe übrigens ist bis heute zu sehen, ein weisser Fleck gleich über der linken Schulter. An gewissen Tagen pocht es dort, wie wenn noch immer was raus wollte.

Nordwind

Chocolat, der Film, du kannst dich bestimmt erinnern. Sie, die stets weiterzieht, wenn‘s zieht. Der Nordwind bläst. Wie heute zum Beispiel.

Foto: Herzliches Dankeschön an Elisabeth Halmer

Oder jenem andern Tag, als er gegangen war. Den Hut genommen, in seinen Worten, dabei hat er keinen gehabt. Keinen Hut. Nicht mal ‘ne Mütze. Nie. Kaum Haare auf dem Kopf, sondern bloss weisse Strähnen von da nach dort gekämmt, was ihm jedoch gut gestanden ist, zugegeben. Wie Gandalf, der ja auch plötzlich weiss geworden war und weise, denkt man sich dann gleich.

Ich jedenfalls sitze auf einer Bank im Freien und friere mir den Hintern ab. Schaue auf die Lichter der Stadt. Jedes Leuchten ein Schicksal, ein Leben, ist schon verrückt. Von hier aus wäre der Säntis zu sehen, anderntags, zu einer andern Stunde und wolkenfrei mal sicher.

Vianne, die weiterzieht, wenn‘s zieht und er, der mitgenommen werden wollte. Wohin auch immer. Gleich überall. Gleich hier.

Die Sache mit Mario

Wer die Idee gehabt hatte? Keine Ahnung. Sie vielleicht. Oder auch ich. Und der Coach nennt sich Mario (Name von der Redaktion geändert, du weisst schon).

Bern (Foto: AnnA)

Mario ist ein versteckter Macho, kein Zweifel, da brauch ich Veilchenblau nicht erst anzuschauen. Die andern beiden kennen sich erst seit Lockdown und wollen diesmal alles richtig machen. Mittvierziger mit Einwegticket nach Patchwork, etwa so sieht das aus. Wenn die dann noch Kinder kriegen, gibt‘s Nachnamensalat.

Mario chauffiert uns in Sessel, wo du erst nicht rein kommst und raus erst recht nicht. Während Veilchenblau sich durch ihre Kaugummibatterie frisst, schweife ich ab. Kommt mir gerade alles vor wie Sonstwo und Sonstwo ist schön. Er blättert seinen Foliensatz durch und hält Vortrag. Dann die Sache mit den Gesprächen. Wobei Veilchenblau mich à la Biopraktikum studiert: DiStanZiert. Zudem repetiert sie penetrant, was ich von mir gebe. Wort. Für. Wort. Lässt sich nicht beirren. BiTerErnst. Und Mario? Feuert sie noch an. „Gut so“, sagt er andauernd und blinzelt ihr anerennend zu. Meinerseits wird’s mulmig zumute. Plötzlich hat alles mit mir zu tun. Meinen Gefühlen etwa.

Am Abend gehen wir dinieren, und unterhalten uns. Trinken Bier. Auf dem Nachhauseweg die Sinnfrage. Am andern Morgen braucht‘s Aspirin und Ausschlafen wär dann auch nicht schlecht gewesen.

Veilchenblau

Berlin (Foto: AnnA)

Und Veilchenblau? Veilchenblau ist eine andere Geschichte. Wie Sex Pistols im Karnickelkostüm. Das sprengt den Bau, etwa so gedacht.

Sie

Sie, die am Küchentisch sitzt und einfach mal müde ist. Nicht, dass ihr die Glieder schmerzten oder der Kopf, sondern gefühlsmüde.

Foto: AnnA

Weil es sie Kraft kostet, die Tasten anzuschlagen. Also entweder Null oder mit der Faust draufgehauen. Gleich Kakophonie.

Was dann wie Keller voller Mausefallen, die gegenseitig sich schnappen und zum Springen bringen à la Froschpogoparty. Versuch mal, proper zu analysieren, welche die erste gewesen war.

Sie eine Inihrdrin. Schon immer gewesen. Wenn man alles richtig macht, dort ein wenig lärmt, da eine Handvoll Geschirr zerbricht, merkt das im Grunde keine. Höchstens, dass jene munkeln, sie sei arrogant wie nix zum Beispiel oder einfach speziell. Speziell arrogant.

Die Auswahl

Alle paar Minuten greife ich zum Gerät, und lass mir mein Gesicht beleuchten. Blau oder rot, die spinnen dort drüben. Doch was soll’s, von aussen sieht alles immer anders aus. Von hier etwa. Wo ich stehe. Oder sitze. Na, du weisst schon.

Anna (unbekannte Künstlerin)

Blau

Der eine zum Beispiel und was man so über ihn sagt. Dass er mal jung gewesen sei, heute aber steinalt. Sein Herz am rechten Fleck schlage. Für die Menschen eben, sowie das Ökologische. Heisst, dass Fracker weiter fleissig frackern, Fracking aber megadoof. Zudem DeMoKraT. Was wir ja alle sind, gewissermassen, er aber von der blauen Sorte. Heisst messy, totaaal messy.

Rot

Der andre whothefuck? Weiss keine. Weder DeMoKraT zum Beispiel, noch irgendwie farbig. Und eigentlich GEGEN alles. Wie gerade heute, doch heute ist ein Scheisstag. Sein Scheisstag. Vielleicht auch gestern schon. „Nein, NICHT“, sagt er trotzig. Und twittert STOP-irgendwas. Gleich zwei Mal. Um sicher zu gehen.

K wie Karl

K wie Karl hat mir einen Brief geschrieben, der mit „Liebe Anna“ beginnt. Ohne Datum oder so, einfach „Liebe Anna“. Wahrscheinlich ‘ne Floskel, weil direkt lieb war ich nie gewesen. Eher unbeholfen.

Das autonome Winterthur (Foto: AnnA)

Steht dann auch so, dass ich nicht lieb gewesen war, sondern aber verletzend. Verletzt sein ist nichts Schönes, versteht sich. Lieber noch unbeholfen. Zudem schulde ich ihm Bier & Wurst vom Calypso kürzlich, als seine Alte vom Hocker gefallen war. Was Du übrigens hier nachlesen kannst. Hatte mich aus dem Staub gemacht damals und mir um die Ecke einen runtergelacht. Aber egal. K wie Karl checkt‘s irgendwie nicht, vor allem die Sache mit Veilchenblau checkt er nicht. Hinzu kommt, dass alle davon gewusst haben wollen, bloss er eben nicht. Addiert sich und Ergebnis dann manchmal mehr als die Summe. Oder auch weniger. Ich selbst bin sehr Newton-verwurzelt und übersehe gerne mal das Relativistische. Auch im Sozialen wahrscheinlich. Oder vor allem im Sozialen.

Was so durch den Kopf geht

Foto: AnnA

Erstens, das Rauchen

Aufgestanden, geduscht, dann Nikotinpflaster aufgeklebt. Direkt über der Brust sei unsexy, moniert Veilchenblau und steckt sich eine an. Am Bahnhof dann tu ich dasselbe, anschliessend schmeiss ich das gekaufte Päckli in den Mülleimer. Einer schaut mich fragend an, schüttelt den Kopf. Minus acht Franken, und schon bereu ich‘s.

Zweitens, der Mandalorianer

This is the Way. So oder so. Niedliche Babys retten. Drachen sprengen. Es muss nicht immer alles so verdammt kompliziert sein, das kannst du daraus lernen. Hauptsache Rüstung und, dass man dein Gesicht nicht sieht.

Drittens, die Wahl

Alle vier Jahre mal. Dazwischen ist davor und davor wiederum dasselbe. Heisst Auswahlen, weil wählen geht anders. Aber wie denn? Veilchenblau jedenfalls meint, dass sie kurz davor stehe, Monarchistin zu werden. Ist mir aber egal, solange nicht Monarchin. Wäre schlecht für‘s Gleichgewicht. Unser Gleichgewicht. Übrigens, gestern noch hat sie Anarchie gepredigt.