An der Sternenbar

Radieschen meint, alles halb so wild,
Wickeltisch hin oder her.
Und Löffel macht ein Gesicht.

K wie Karl hängt rum und faselt Zeugs.
Berlin sei gestern gewesen,
heute Sternenbar
und manche Dinge änderten sich nie.

Babs und Wieheissternochgleich essen Fritten,
küssen
und mir wird spontan zum Kotzen.

Draussen beim Rauchen dann quatscht mich einer an von wegen Politik,
wozu ich eigentlich bloss nicken kann oder aber ganz und gar nicht.

An der Sternenbar
Taube in Albisrieden (Bild: AnnA)

Horror Vacui

Gestern Tränen gelacht wegen allem ein bisschen und K wie Karl ruft an, erzählt von Immigranten plus, dass Herz ihn schmerze.

Im Rietberg Museum ist Fotoausstellung, weil sie dort afrikanische Lichtbilder sammeln & was willst Du sonst damit?

Horror Vacui das Lieblingsgebilde wie Angst vor leerem Raum. Wer kennt es nicht?

Horror Vacui
Rietberg Museum (Bild: AnnA)

Gedehnte Quarantäne in Berlin

In der Tat ist K wie Karl nicht wirklich ausgewandert, sondern eher so in gedehnter Quarantäne drüben in Berlin. Wo er sich’s gut gehen lässt.

Gedehnte Quarantäne in Berlin
Berlin im Mai 2015 (Bild: AnnA)

Hat mir ‘ne Postkarte geschickt vom Brandenburger Tor anno Schwarzweiss und wenn du die Rückseite liest wird klar: Angetrunken oder sonst wie verknallt. Wahrscheinlich aber beides, was mir ein irgendwie betrogenes Gefühl beschert. Du weisst schon: Wie man sich stets irgendwie beschissen fühlt, vor allem dann, wenn du selbst die Bescheisserin bist.

Monopoly

K sei ausgewandert, heisst es, was ich mir kaum vorstellen kann und Radieschen plappert, dass sie sich ernsthaft auf ein Leben ohne Trump vorbereite. Dann kauft sie Zürich Paradeplatz und Löffel zählt vorsichtshalber mal Scheine.

Züri (Foto: AnnA)

„Kann mir nicht vorstellen, dass K ausgewandert sein soll“, wende ich ein, worauf Radieschen mich mit ihrem Du bist ja hier nicht etwa die Expertin-Blick bedient. Babs (die aus dem Hölloch) fummelt an ihrem Handy rum, und fragt, was K denn für einer sei. „K wie Karl“, antwortet Löffel schliesslich und blickt Rieeeeesenbögen (um mich rum). Wobei ich sowieso grad Knastpause feier, also auch egal.

„Versuchs doch mal mit Erdogan“, rät Veilchenblau Radieschen, die gerade schmucke Häuser in eine nette Reihe bringt. Derweil Babs einmal mehr über den Rand hinaus würfelt. „Vielleicht sollte ich diesen Karl mal kennenlernen?“, fragt sie von unter dem Tisch, worauf Löffel lacht. Jede weiss, dass es zwischen den beiden nicht lange gut gegangen war. Fragestellung: Was wäre, wenn Lennon noch lebte, doch wissen wir es bis heute nicht. Und wird auch nimmer. K war mal Mitbewohner gewesen, dann aber habe ich Veilchenblau kennengelernt und mich noch dazu. Ende der Geschichte.

Babs heimst gerade ein Vermögen ein und ich frage mich, ob sie dem Glück nicht ein wenig zu sehr auf die Sprünge hilft. Auch Veilchenblau verdreht vielsagend die Augen, was jedoch nicht zählt, weil sie wie immer bloss zuschaut. Kann nicht verlieren, weswegen sie einfach mal behauptet, dass Kapitalistenspiele Scheisse sind. Um zu Explizieren, knallt sie dann zum Beispiel irgendwelche Minor Threat-Scheiben auf den Plattenteller.

„Der ist ja eben ausgewandert“, wiederholt Löffel, den im Übrigen die Schuldenlast drückt. (Obwohl Radieschen ihm ab und zu was zusteckt.) Nimmt mich persönlich wunder, wo er diese Emigrantengeschichte herhat, weil K ja nicht etwa der abenteuerliche Typ. Wahrscheinlich aber weiss er’s von Neuhufer, dem Schnüffler.

Als dann sogar Babs die blaue Rechnung nicht mehr bezahlen kann, ist fertig lustig. Ich verdufte schleunigst aufs Klo, wo dieses Hirschposter von Agalloch hängt und höre durch die verschlossene Türe, wie I am von Bölzer anklingt. Auch gut.


K wie Karl

K wie Karl hat mir einen Brief geschrieben, der mit „Liebe Anna“ beginnt. Ohne Datum oder so, einfach „Liebe Anna“. Wahrscheinlich ’ne Floskel, weil direkt lieb war ich nie gewesen. Eher unbeholfen.

Das autonome Winterthur (Foto: AnnA)

Steht dann auch so, dass ich nicht lieb gewesen war, sondern aber verletzend. Verletzt sein ist nichts Schönes, versteht sich. Lieber noch unbeholfen. Zudem schulde ich ihm Bier & Wurst vom Calypso kürzlich, als seine Alte vom Hocker gefallen war. Was Du übrigens hier nachlesen kannst. Hatte mich aus dem Staub gemacht damals und mir um die Ecke einen runtergelacht. Aber egal. K wie Karl checkt‘s irgendwie nicht, vor allem die Sache mit Veilchenblau checkt er nicht. Hinzu kommt, dass alle davon gewusst haben wollen, bloss er eben nicht. Addiert sich und Ergebnis dann manchmal mehr als die Summe. Oder auch weniger. Ich selbst bin sehr Newton-verwurzelt und übersehe gerne mal das Relativistische. Auch im Sozialen wahrscheinlich. Oder vor allem im Sozialen.

Mittwoch, 3. Juli 2019

K hat die Sachen abgeholt, mehr nicht. Natürlich nicht. Ich frage ihn, ob er was trinken will, einen Kaffee oder so, doch er sagt nein. Es gibt da dieses englische Adjektiv awkward, welches sich nicht adäquat übersetzen lässt. Aber es passt. Jetzt. Genau. Auf den Punkt. Die Hände in die Gesässtaschen seiner Jeans geschoben, steht er noch ein Weilchen in der Küche, und schaut zum Fenster hinaus. Tritt ab. Ich sage mir: „Jetzt, wo der Flur leer ist, kann ich wieder atmen.“ Und höre, wie der Deckel des Kofferraums zuschnappt, und ein Motor gestartet wird.

Sonntag, 16. Juni 2019 / Abschied

Heute ist der Tag, an dem ich K. reinen Wein eingeschenke. Aus dem Nichts heraus. Zwischen Aufstehen und Morgenkaffee übermannt es mich wortwörtlich. Danach packt er sein Köfferchen, und stolziert davon, im Auge glitzernde Perlen von Trauer oder Wut. An meinen kommunikativen Fähigkeiten muss ich noch arbeiten, klar. Sogar eine seiner Action Figuren habe ich an die Wand geschmissen. Dass die danach nix mehr taugen, weiss ich jetzt auch.

Sonntag, 9. Juni 2019

Bereits wieder am Bahnhof. Menschen mit zerfledderten Shirts kreuzen solche mit frisch geplätteten. Liebe ist für alle da und Herz brennt. K. wirkt gequält und hat dunkle Ringe unter den Augen. Achterbahn im Hotelbett, wie’s scheint, und Till hielte sich den Bauch vor Lachen. Das Frühstücksbuffet verlässt er recht spontan, und hätte beinahe auf meinen Speck gekotzt. In solchen Momenten könnte ich heulen. Meinerseits die Hose gelockert, und fleissig das Bäuchlein eingezogen. Auch so gehts.

München (Foto: K.)

Freitag, 7. Juni 2019

Der Zug nach München ist mit 25 Minuten Verspätung unterwegs. Am Bahnhof hat mich ein Ami gefragt, ob das hier Sitte sei. Verspätungen. Ich habs abgestritten. Amis sind doof.

Münchentrip (Foto: Anna)

Sonne mit schmierigen Fingern

Sonne langt mit Fingern durch halbgeöffnete Rouleaus und malt gelbe Streifen auf mein Gesicht. Heute ist Dienstag und ich bin in Southwark aufgewacht.

Southwark

Aus dem Bett gewälzt, geduscht, et cetera, sodann vors Haus, um eine zu schloten. Autos stehen Stau, Graumenschen schleichen wer weiss wohin und eine Gruppe putziger Mädchen sind auf dem Weg in eine womöglich ummauerte Institution. Nach ein paar Paffern schnippe ich die Kippe in einen verwilderten Vorgarten, es nieselt. Wirtin hat Kaffee gebraut, Tassen auf den Tisch gestellt. Setzt sich gegenüber und erzählt vom Gestern. Schaut mich an mit Augen gross wie Popcorn-Kino.

Den Rucksack übergehängt, schreite ich aus. Sonne versteckt sich nunmehr hinter grauem Gewölk und ich bin froh, Pullover eingepackt zu haben. Es bläst. An einer Frühstücksbar erstehe ich Kaffee und Hörnchen und setze mich an die Themse. Hinter mir Tower mit Kronjuwelen, was man von aussen natürlich nicht sehen kann. Spatzen versuchen, mir das Gebäck aus den Händen zu klauen. Vögel ekeln mich an, nicht, weil ich Rebhuhn heisse, sondern des Gefieders wegen.

St. Dunstan East Street Garden

Plan? Keinen.

Ein paar notierte Orte, die besucht werden wollen, empfohlen von irgendwelchen Irgendwelchen. Blogger*innen und so. Als erstes spaziere ich zum St. Dunstan East Street Garden, was früher mal Kirche gewesen, dann Weltkrieg und heute, was davon so übrig blieb. Gemäuer sind mit Efeu überwachsen, im ehemaligen Schiff stehen Sitzbänke aus bröckligem Stein. Fröstelnd rauche ich Zigaretten und linse durch Fensterlöcher auf Fassaden dahinter liegender Häuser. Als es zu nieseln beginnt, mache ich mich von dannen.

London City

Wie Ameisen aus ihren Löchern gekrochen und Gehsteige entlang gekrabbelt.

Homines Sapientes in Anzug und Krawatte auf der Suche nach Zuckerwasser. Vor der St. Paul’s Cathedral stehen Leute, die von Sicherheitskräften in leuchtend gelben Westen auf Explosives hin untersucht werden. Gleich in der Nähe befindet sich ein Markt. Stände werden aufgestellt und Auslagen bereit gemacht. Etwas Hunger dann schon.

Markt, Nähe St. Paul’s Cathedral (Foto: Anna)

St Bartholomew the Great

Die Klosterkirche ist zu Fuss gut zu erreichen. Im Innern steht ein überlebensgrosser Bartholomäus (von Damian Hirst), die abgeschälte Körperhaut lässig über den Arm gelegt. Dann noch fleissig mit Gold übergossen, damit es auch recht schön glänzt. Weil Hirst ist ’ne grosse Nummer, jetzt weisst du’s.

Im Gegenuhrzeigersinn Schiff durchwandeln, ohne auf Grabplatten zu treten. PRise Aberglaube hat noch keiner geschadet, so oder so. Aus alten Gemäuern flüstert dir Vergangenheit zu, lies Die Flüsse von London. Und ich lege meinen Kopf an eine Säule und horche in den Stein hinein. Dabei denke ich ihn zum Beispiel, meinem Vater, dem ich hier näher bin als damals noch im echten Leben.

Hosier Lane 23

Draussen auf der Bank. Handy surrt, und es ist K. Ich hätte ihm dort beim Creux du Van einen Schubs verpassen sollen. Hatte noch dran gedacht, am Ende aber Bammel. Denn es heisst, wer’s einmal tut, tut’s wieder und wieder. Sowieso ich eher verhaltene Sorte, und weniger Mörderinnenbrut. Notwehr hin oder her. An der Hosier Lane 23 stille ich meinen Hunger und merke mir die Adresse.

Hosier Lane 23 (Foto: Anna)

Sonst so London?


Nach London im April

Nach London im April. Stehe an der Sicherheitskontrolle und überführe den Inhalt meiner Taschen in Wannen aus Plastik.

Handgepäckkram verschwindet gerade in der Röntgenapparatur. Derweil Beamtin gelangweilt das totale Nichts fixiert, durchschreite ich den Detektor. Sie sähe Bombe nicht, wenn noch ein Zettel dranhängen würde. Meine Harmlosigkeit. Im Flugzeug neben mir einer, der sich breitbeinig ins Polster lümmelt. Scheele Blicke auf mein Shirt, wo da diese Erhebung und damit meine ich nicht Bauch. Dann startet der Pilot durch und ich schaue Wolkendecke. Im Kopf Trespass von Genesis, was denn sonst?

Ab Luton fährt die Eisenbahn nach London City. Der Geilo von nebenan schleicht noch ein Weilchen Kreise, bis ich ihm entnervt den Finger zeige. Im Zug rasen Grafschaften an mir vorbei oder so. Ich atme aus. Vor jeder Station betet eine Lautsprecherstimme Stationen herunter, bloss, dass jedes Mal eine fehlt. Zehn kleine Haltestellen.

London City. Mildes Abendsonnenlicht tropft wie dickflüssiger Honig von den Dächern. Genauso riecht es auch. Dem Flussufer entlang schlendernd Rolltasche hinter mir hergezogen. Menschen in Feierabendstimmung. Entgegenkommenden Joggern blase ich Zigarettenrauch ins Gesicht. Doch sind die zu höflich, um zu meckern. Oder es gehört einfach dazu.

London Tower Bridge (Foto: AnnA)

Southside

Ein paar Fotos von der Bridge geknipst, anschliessend Wohnung gesucht. Die Vermieterin hat die Dreissiger kaum überschritten und empfängt mich in Pantoffeln und Bademantel, den sie sich über der Brust zuhält. Anzüglich? Keine Ahnung. Gerne würde sie Schwätzchen halten, doch hängt Sprachbarriere wie roter Balken zwischen uns. Englisch ist weniger so ihr Ding, soviel ist klar. Später dann gehe ich eine Kleinigkeit essen.

Sonst so

London?