Neuhufer? Den kenne ich noch von Güllen her. War dort sowas wie Staatsbeamter in der Exekutiven gewesen. Heisst Polizei. Dann war es irgendwie dumm gelaufen. Vor allem aber für den andern.
Heute bedient er an der einen oder anderen Bar, wenn du ihn jedoch googelst, steht da Privatdetektiv. Fragen jedoch bringt nichts, da kannst du geradesogut zur Steinmetze. Wenn du weisst, was ich meine? Mit Löffel versteht Neuhufer sich recht gut. Die haben so eine Art Draht zueinander, Radieschen meint, das hat irgendwie mit verquerem Darwinismus zu tun. Was auch immer sie damit meint.
Strassen und Wege tragen hier Namen wie Chavez-Allee oder Boulevard Lilienthal. Nix aber Rebhuhn. Ich sitze im Schatten eines Hochhauses, vor mir ein kühles Glas Cola. Worin die Zitronenscheibe erbittert gegen das Ertrinken ankämpft.
Im Kopf dreht die Geschichte von Neuhufer. Er, der nach Paris fährt und dort in einer Mansardenwohnung haust. Halt so Dinge erlebt, die du entweder glaubst oder nicht glaubst. Und stets kommt noch eine dazu. Oder auch weg. Es ist zum Verrücktwerden.
Rose hingegen lebt in Amsterdam. Gleich bei der Werft. Auch sie wird von ihm besucht. Ein einziges Mal bloss. Erst hab‘ ich gedacht, dass es sie gar nicht gibt. Aber Irrtum: Es gibt sie doch. Was Neuhufer in Holland sonst noch so treibt? Kannst du dir selbst ausrechnen. Er erzählt vom Meer.
Mittlerweile ist ein lauer Wind aufgekommen. Am Tisch nebenan vertritt einer die Babylon-Theorie. Dass nämlich alles vor die Säue geht. Sein Burger aber schmeckt ihm sichtlich. Sodann mach ich mich auf den Weg. Muss mir unbedingt mal die Beine vertreten.
K sei ausgewandert, heisst es, was ich mir kaum vorstellen kann und Radieschen plappert, dass sie sich ernsthaft auf ein Leben ohne Trump vorbereite. Dann kauft sie Zürich Paradeplatz und Löffel zählt vorsichtshalber mal Scheine.
„Kann mir nicht vorstellen, dass K ausgewandert sein soll“, wende ich ein, worauf Radieschen mich mit ihrem Du bist ja hier nicht etwa die Expertin-Blick bedient. Babs (die aus dem Hölloch) fummelt an ihrem Handy rum, und fragt, was K denn für einer sei. „K wie Karl“, antwortet Löffel schliesslich und blickt Rieeeeesenbögen (um mich rum). Wobei ich sowieso grad Knastpause feier, also auch egal.
„Versuchs doch mal mit Erdogan“, rät Veilchenblau Radieschen, die gerade schmucke Häuser in eine nette Reihe bringt. Derweil Babs einmal mehr über den Rand hinaus würfelt. „Vielleicht sollte ich diesen Karl mal kennenlernen?“, fragt sie von unter dem Tisch, worauf Löffel lacht. Jede weiss, dass es zwischen den beiden nicht lange gut gegangen war. Fragestellung: Was wäre, wenn Lennon noch lebte, doch wissen wir es bis heute nicht. Und wird auch nimmer. K war mal Mitbewohner gewesen, dann aber habe ich Veilchenblau kennengelernt und mich noch dazu. Ende der Geschichte.
Babs heimst gerade ein Vermögen ein und ich frage mich, ob sie dem Glück nicht ein wenig zu sehr auf die Sprünge hilft. Auch Veilchenblau verdreht vielsagend die Augen, was jedoch nicht zählt, weil sie wie immer bloss zuschaut. Kann nicht verlieren, weswegen sie einfach mal behauptet, dass Kapitalistenspiele Scheisse sind. Um zu Explizieren, knallt sie dann zum Beispiel irgendwelche Minor Threat-Scheiben auf den Plattenteller.
„Der ist ja eben ausgewandert“, wiederholt Löffel, den im Übrigen die Schuldenlast drückt. (Obwohl Radieschen ihm ab und zu was zusteckt.) Nimmt mich persönlich wunder, wo er diese Emigrantengeschichte herhat, weil K ja nicht etwa der abenteuerliche Typ. Wahrscheinlich aber weiss er’s von Neuhufer, dem Schnüffler.
Als dann sogar Babs die blaue Rechnung nicht mehr bezahlen kann, ist fertig lustig. Ich verdufte schleunigst aufs Klo, wo dieses Hirschposter von Agalloch hängt und höre durch die verschlossene Türe, wie I am von Bölzer anklingt. Auch gut.
Am Wochenende mit Radieschen in dieser wie-heisst-sie-noch-gleich-Bar, und Neuhufer, der hinter’m Tresen steht.
Sagt, dass er gerade mal aushilft, Corona und so, plus die Geschäfte schlecht laufen. Bloss weiss keine, was der so treibt und fragen treibt dich zum Wahnsinn. Kenn ihn von früher her, den Neuhufer, andre Stadt, andre Zeit, du weisst schon. Hatte dort im Staatsdienst gewirkt, sozusagen, dann war’s irgendwie dumm gelaufen: Für ihn wie den andern. Radieschen trägt ein Igorrr-Shirt und erzählt gerade, wie sie mit Löffel Eislaufen gewesen war. Oben beim Dolder, ca. 5 Minuten, dann Punch. „Und der Weihnachtsbaum?“, will ich wissen. „Welcher Weihnachtsbaum?“ „Na, der vom Dolder.“ Sie aber zuckt die Schultern. „Keine Ahnung.“ Neuhufer macht dann mal Pause, und setzt sich zu uns. Wie’s denn so laufe, erkundigt er sich, der selbst ungern Fragen beantwortet. Doch Radieschen malt Biermännchen auf dem Tisch und ich beobachte sie dabei. Aus den Boxen dröhnt Auðn und Neuhufer murmelt was von kalten Wintern.
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