Sardellenblues

Manchmal übermannt mich ganz ehrlich die Nachdenklichkeit wie gestern zum Beispiel beim Pizzasardellenkauf.

Foto: AnnA

15 kleine Dinger in Glas verpackt, die lustig sich kringeln, wenn du daran schüttelst. „Ein wenig wie Meer“, denke ich sehnsüchtig und studiere das Preisschild doppelt, weil mich die Zahl etwas übertrieben dünkt. Kommt quasi auf den Franken das Tier, dabei ist es ja bloss Pizza und dazu vielleicht noch ein Film von Caro. Andererseits, für ein Leben scheint es mir eher knapp bemessen und wenn du den Mehrwert noch subtrahierst, wird dir gleich kotzübel. Was mich – zugegeben – emotional hernimmt, wie ich so im Laden stehe und auch gar nicht mehr richtig schütteln mag.


Tagebuch II

Von Lücken, Kontinuen und Wetterlagen. Philosophisches von Löffel. Plus Impressionen aus dem Alltag einer Proletarierin.

Foto: AnnA

Samstag, 20. Februar 2021

„Die Marktlücke wird immer grösser bis wir alle da hinein passen“ (Löffel 2021).

Sonntag, 21. Februar 2021

„Frage mich, weshalb Zeit im Kleinen lümmelt und im Grossen gerade umgekehrt“ (ebd.).

Montag, 22. Februar 2021

Sonne scheint & gestern ebenso.

Dienstag, 23. Februar 2021

Eine Tasche auf dem Weg zur Arbeit und ich daneben.

Mittwoch, 24. Februar 2021

Veilchenblau sitzt am Küchentisch und liest Journale.
Auf einem T-Shirt steht: „Ich bin auch ein CAS.“
Das Harvard Prinzip: Dreiecke malen.
Vor Italien schwimmen 200 Särge im Meer.
Und zuletzt: A Boat von Brautigan.


Namen

Irgendwann im Museum Rietberg (Foto und Nachbearbeitung: AnnA)

Wie die auch heissen oder genannt werden wollen, denn auf Namen gebe ich nicht viel. Jeden Tag einen neuen oder öfter sogar, das würd mir gefallen. Einfach mal Amundsen zum Beispiel, Winnetou oder Mary Poppins. Wäre wenigstens mal ein Anfang.

Exit

Friedhof Sihlfeld (Foto: AnnA)

Immer mal wieder.
Stellen wir die Uhr.
Und retten die Welt.

Manchmal.

Weil gelegentlich
das Böse siegt.
Oder siegen muss.

Und wir verlieren.

Zu wenig weit genug gedacht.
Heisst es dann.
Weil Zwölf ist Zwölf.

Ekliptik

Foto: AnnA

Tage werden länger und Schuld daran trägt (wie an so vielem übrigens) die Ekliptik.

Dreiundzwanzigkommairgendwas, Winter, Sommer, Winter, Sommer, je nachdem, ob du oben oder unten stehst.

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Bild: Romina Nikolić (Merci!!!)

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Der verlorene Gedanke

Highgate Cemetery, London (Foto: AnnA)
Manchmal ein Gedanke,
den eine schnappt,
bevor du selbst
ihn zu fassen kriegst.

Das wäre dann ein verlorener Gedanke, einer, der dir ein Leben lang fehlt. Diese kleinen Löcher in dir, dass du manchmal glaubst, du bist Emmentaler. Weder zu fassen noch füllen, weil bereits weggedacht. Von deiner besten Freundin am Ende oder einem Arsch wie Trump. Könnte sein. In echt.

Kopf

Weisst Du noch, als ich mir den zweiten Kopf habe wachsen lassen und bloss ‘ne Pustel rausgekommen ist?

Kopf (Foto: AnnA

Als klar war, dass da nichts draus wird, habe ich wie verrückt mit der Stricknadel drauf eingestochen. Erst hats ordentlich gespritzt, anschliessend ist tagelang graues Zeugs rausgeflossen. Währenddessen bin ich zu Hause auf dem Sofa gesessen und habe stündlich Kompressen gewechselt. Gaze um Gaze. Und der Geruch? Wie wenn du am Schlachthof vorbei fährst und ‘ne Nase voll Innereien kriegst. Zum du-weisst-schon. Die Narbe übrigens ist bis heute zu sehen, ein weisser Fleck gleich über der linken Schulter. An gewissen Tagen pocht es dort, wie wenn noch immer was raus wollte.

Die «Hullo»-Variante

Da kommt eine auf die Idee, sich künftig des «Hallo» zu verwehren, und stattdessen mit «Hullo» zu grüssen. Ordentlich brav, zugegeben. Doch mit gebührend Würde vorgetragen dennoch gelinde irritierend.

Mal innehalten (Foto: AnnA)
Mal innehalten (Foto: AnnA)

I. Die Bar

Bald der Keeper an der Bar: «Hullo, Hullo, was hätsch dennn gärn?» Und Rose, die davon den Schluckauf kriegt, von Karl schon gar nicht zu sprechen. «Hullo» allenthalben da und dort, was mehr als gelinde irritiert. Worauf ein Freischaffender des Sommerlochs wegen diesen Artikel verfasst mit Fotos besagter Bar sowie dem Keeper und das Ganze in die Zeitung bringt. Heisst Freibier für alle Zeiten, soviel ist klar, das war ihm auch versprochen worden.

II. Die Woge

«Hullo» mit einem Schlag total en vogue, und bereits nach wenigen Wochen über den grossen Teich geraten, wo die noch ganz anders spinnen, als unsrerseits, was jede weiss, da brauchst nicht dort gewesen zu sein. Jedenfalls der Präsi eines morgens im Halbschlaf «Hullo everybody!» in die Welt hinaus getwittert, worauf Scheisse sich gleichmässig mindestens über alle Staaten verteilt. «When the Hu hits the Fan!» wird zum Sommerhit und man werde wohl noch mit dem Handy spielen dürfen, um ordentlich wach zu werden, beschwert der mächtigste Ami sich per Videobotschaft. Sowieso, technisch gesehen sei die Zeitspanne des Aufwachens Privatsphäre und wenn jede ihre Nase permanent in anderer Angelegenheiten stecken täte, ja was dann?

III. Das Politische

Abends in der Tagesschau referiert eine sichtlich gestresste Auslandkorrespondentin von Spaltung der Gesellschaft, welche quer durch Parteien, Gender, Einkommensklassen, Hautfarbe und wasweisssie sich ziehe. Während Molotows ihr bloss so um die Birne pfeifen. Nach bedrohlichem Wackeln des Fernsehbildes unterbricht die Verbindung nach Washington, stattdessen wird der Wettermann auf dem Dach eines Hochhauses in Zürich eingeblendet: «Hullo everybody!» Noch dazu herrlichstes Wetter, so weit das Auge reicht, dass ein anderer spontan beschliesst, von Osten her Panzer rollen zu lassen, um dem Schnickschnack wenigstens eurasisch gesehen den Garaus zu machen. Oder einfach mal ein bisschen rollen lassen à la Autokratenporno, was Weltgemeinde sowohl schärfstens verurteilt wie auch müde toleriert.

Der Hirte

Der Papst sieht widerwillig sich genötigt, Abtreibung aus dem Repertoire zu kippen und dafür mal Nächstenliebe zu predigen, währenddessen seine Herde «Bungiorno, Bungiorno» skandiert. Dabei versteht der Mann bloss dürftig Italienisch und verlässt würdig den blöden Balkon. Da er jedoch vergisst, das Mikro auszuknipsen, wird aus dem Off weiter peinlichst übertragen, was die Gemüter nach und nach erwärmt. Als Putzequipe sich nach Sonnenuntergang aus den Löchern traut, liegen hingeworfener Christenkreuze traurig auf dem Petersplatz, was von Weitem aussieht wie terminierte Insekteninvasion.

Die Gesellschaft

Derweil Aktivisten in Berlin sich daran machen, jene berühmte Mauer wieder hochzuziehen, was sich als schwieriger herausstellt, als gedacht. Vor allem des Wetters wegen, behaupten sie, das wunderbarer nicht hätte sein sollen. Dennoch tragen viele Kurzarmshirts, wo «Hullo, ich bin ein Mensch» draufsteht, und rackern redlich sich ab. Fast unbemerkt dreht übrigens das Panzerschwadron aus dem Osten verschämt wieder ab, um erst mal bei sich zu Hause aufzuräumen. Wo genau dieses sich befinde, werde noch bekanntgegeben und auf «Pruvet!» steht seit neustem übrigens Gulag.

Fazit

Kleine Notiz am Rande: In Ägypten sei mehr als ein Kamel trotz gutem Leumund brutal gesteinigt worden, weil das Tier «Muh» gemacht habe. Ägypten, stell dir das mal vor, wo Muhmien meterhoch sich stapeln, doch lustig ist anders, sowieso klar.

Im weltweiten Chaos geht wieder das eine vergessen, klar, das private Elend zum Beispiel. Die Not des Kleinen. Einzelnen. Und Moral mal in echt: Dass selbst der bravste Widerstand dem Individuum letztlich NIE zugutekommt.

Die exemplarisch Widerständige übrigens, so ganz nebenbei, grüsst heutzutage konsequent mit «Guten Tag», und ärgert sich nicht schlecht, wenn andere sie duzen oder sonst wie respektlos ihr begegnen. Dass sie die gewesen war, die «Hullo» erfunden hatte, glaubt ihr eh kein Schwein.

Dienstag, 29. September / Wörter oder Worte

Worte. Wörter? Scheint‘s totalegal.

Wörter und Worte (Foto: AnnA)

Sinn hockt stets im Dazwischen, da, wo du Luft holst, Pause machst, Konsonanten pflegst, oder einfach mal nach draussen schaust. Wörter zu Worten, so oder so, du musst dich bloss anstrengen, das dann aber schon.