Ein Gespräch eigentlich zum Vergessen

Wie zweifellos du befinde auch ich mich in einer Position. Scheffin hier, Bescheffte dort. Und dazwischen eben wir.

Ein Gespräch eigentlich zum Vergessen
Bild: AnnA

Unser Gespräch driftet unverzüglich in Richtung

Loya-
Li-
Täts-
Prin-
Zip.

Wo gerade ich doch Prinzipien eher kritisch gegenüber stehe. Nicht direkt prinzipiell, klar, aber verdammt nah dran. Am Prinzipiellen eben.

Was sie aber nicht wissen kann.

So tropfen Worte vom ovalen Tisch dass es wie klackert und quecksilberne Pfützen sich auf gebohnertem Parkett bilden. Sie ist im Wesentlichen vorbereitet und hakt Punkt für Punkt das Protokoll für Krisengespräche ab.

„Also Krisengespräch“, denke ich, während zu meinen Füssen der Spiegel unendlich grösser wird.

Doch braucht sie mich mehr als ich (im Speziellen) sie, weil ich sozusagen als einzige Verbliebene noch im Boot hocke.

Die Arbeitskollegin hat vor geraumer Zeit ihr Zeugnis eingereicht und seither herrscht Dauerzustand. Also dauernd Zustand, obwohl besser als Umstand, meint Veilchenblau, die letzte Woche einen Job bei der Uni angetreten hat.

„Macht ist ‚ne n mal n Matrix und Janos dagegen ein Sandkastenbub“, geht mir durch den Kopf und keinen Schimmer, von wem das stammt. Wahrscheinlich aber Löffel.

Klar, dass ich mein Mundwerk nicht halten kann, heisst kaum zwei Minuten. Weil sie mir erstens zum Beispiel mal mächtig auf die Titten geht plus ich nur ungern mir was diktieren lasse. Was man natürlich besser wissen sollte, sagen wir mal in meinem Alter. Zudem ist sie klitzeklein im Recht, bloss hat das mit Loyalität dann gar nichts mehr zu tun. Oder konkret ALLES?

Wir befinden uns sowieso weniger in Philosophier- und/oder Plauderlaune, demnach muss das mal so stehengelassen werden.

Es folgt unvermeidliche Schweigephase, wo wir uns kämpferisch in die Augen starren und Wegschauen unoptional. Mir zumindest ist Demut längst verlustig gegangen, wobei Staunen mich erfüllt ob dem, was hinter verengten Irissen verborgen liegt.

Fazit? Ein Gespräch eigentlich zum Vergessen.

Und der Song dazu? Klar: Igorrr!


Wer ich bin?

Wer ich bin fragst du mich nicht zum ersten Mal mit spitzen Lippen.

Helsinki-Bühne (Bild: AnnA)

„Falsche Frage“, antworte ich. Den Rest kannst du dir selber denken.


Tagebuch XI / Mal wieder Schwarz

Mal wieder Schwarz? Klar.

Idylle (Meh Suff, Foto: AnnA)

Einchecken im Hilton Spreitenbach, was eigentlich keines ist, sondern bloss so draufsteht. Ein Name wie jeder andere. Jedenfalls: Aufs Bett geschmissen, zur Decke gestarrt, dann runter an die Bar, wo Löffel ins Bier sinniert und einer mit halblangen Sprüchen bedient. Draussen sitzen ein paar Schmierige, die aussehen wie Zuhälter oder Schieber – und es wahrscheinlich auch sind.

Du kriegst den grünen Stoff ums Handgelenk, heisst zertifiziert, und eines noch als Ticket dazu. Die erste Band verschwindet bereits im Backstage-Bereich und Leute holen sich Bier. Tom Fischer hat abgesagt heisst es, weshalb du auf Facebook Tickets zum Halbpreis kaufen kannst. Radieschen stellt einen Klappstuhl hin, worauf sich sitzen lässt. Dann spielt Bølzer und es ist wie gestern.

Manchmal mache ich kleine Spaziergänge zum nahen Wald. Lehne mich an einen Baum, denke, was der wohl denken mag und rauche Zigaretten. Die Sonne scheint abendlich schräg aufs Gelände und Rauch steigt auf.

Bølzer (Foto: AnnA)

Im riesigen Bett schläft‘s sich ordentlich. Auch wenn Platz für Zwei wäre. Morgenbuffet? Na ja. Wir hängen rum. Trinken. Tauschen aus. Lachen. Rauchen. Setzen uns nach draussen. Und bald schon ist Migräne Vergangenheit. Es stellt sich heraus: Radieschen mag ihren Stuhl nicht schleppen und ein geraumes Weilchen wird drum rum diskutiert. Am Ende aber geht er vergessen.

Der Krach heute ist erste Sahne, das muss man mal so stehen lassen. Mit Schammasch zum Beispiel liegst du eigentlich nie falsch und Stillbirth sind der helle Wahn. (Wenn auch nicht ganz jugendfrei.) Radieschen derweil hat sich irgendwie verzottelt. Und von Löffel siehst du ab und zu Silhouette, während die Jungs kommen und gehen.

Noch so Tagebücher

Tagebuch I handelt weit oben in den Bergen, Tagebuch II widmet sich dem Philosophischen und Tagebuch III will sich nicht festlegen. Während Tagebuch IV zutiefst Existentielles berührt, bleibt in Tagebuch V Raum für das Alltägliche. Derweil Tagebuch VII eher so die Kant-Schiene fährt. Tagebuch Acht? Schlangen, Kracht und noch ein Buch, dessen Autorin nicht genannt werden will. In Tagebuch IX hingegen spielen Nasensekrete eine wesentliche Rolle, was in Tagebuch X gänzlich ausgelassen wird.

Tagebuch V

@Viadukt, Zürich (Foto: AnnA)

14. April 2021

Jugendliche spielen ums Haus mit gusseisernen Deckeln, weshalb Mütter im Quartierchat davon abraten, Kleinkinder unbeaufsichtigt draussen herumtollen zu lassen.

15. April 2021

Soviel ist klar: Alltag ist ein gefrässiges, kleines Biest.

16. April 2021

Am Morgen furchtbares Durcheinander wer was wann wo wie warum und ob es superSMART wäre, W für W beantwortet zu haben?

20. April 2021

Gesellschaft muss manchmal so betrachtet werden, als ob es sie eine wäre und alles wird gut.

21. April 2021

Ticketkontrolle schon wieder.

Tagebuch IV

3. April 2021

Arbeit hält in geschuppten Klauen, was längst nicht mehr stört.

5. April 2021

Was heisst Glück?“, fragt sie mich geradeheraus, doch geht mir die Fragerei spontan auf den Wecker.

7. April 2021

Kürzlich war ich mutterseelenalleine im All unterwegs gewesen, wo ich Myrth angetroffen habe, was als sehr unwahrscheinlich gilt.

Tagebuch III

Figur aus Blei (Foto: AnnA)

10. März 2021

Der Tag beginnt gewöhnlich mit Schreiben, heute aber liegt ein Druck auf dem Tisch.

12. März 2021

Flachbäuchige Wolken pressen devot sich an jene unsichtbare Grenze zwischen Himmel und Erde, noch dazu tropft es unanständig. Durch die geöffnete Balkontüre dringen Geräusche wie zum Beispiel verwirrtes Vogelgezwitscher oder geschäftige Stimmen und vom nahen Wald ist die verzweifelt sehnsüchtige Melodie einer einsamen Motorsäge zu hören. “Die singen den Frühling ein”, sage ich zu Veilchenblau, denn wer auf dem Land aufgewachsen ist, weiss solche Sachen.

15. März 2021

Heute morgen bin ich oben in den Trichter hineingeraten und einfach mal nach unten gerutscht.

16. März 2021

Termine fixieren klingt hart.
Als ob es Schmetterlinge wären,
die man auf ein Brettchen piekst.

Tagebuch II

Von Lücken, Kontinuen und Wetterlagen. Philosophisches von Löffel. Plus Impressionen aus dem Alltag einer Proletarierin.

Foto: AnnA

Samstag, 20. Februar 2021

„Die Marktlücke wird immer grösser bis wir alle da hinein passen“ (Löffel 2021).

Sonntag, 21. Februar 2021

„Frage mich, weshalb Zeit im Kleinen lümmelt und im Grossen gerade umgekehrt“ (ebd.).

Montag, 22. Februar 2021

Sonne scheint & gestern ebenso.

Dienstag, 23. Februar 2021

Eine Tasche auf dem Weg zur Arbeit und ich daneben.

Mittwoch, 24. Februar 2021

Veilchenblau sitzt am Küchentisch und liest Journale.
Auf einem T-Shirt steht: „Ich bin auch ein CAS.“
Das Harvard Prinzip: Dreiecke malen.
Vor Italien schwimmen 200 Särge im Meer.
Und zuletzt: A Boat von Brautigan.