Ein Gespräch eigentlich zum Vergessen

Wie zweifellos du befinde auch ich mich in einer Position. Scheffin hier, Bescheffte dort. Und dazwischen eben wir.

Ein Gespräch eigentlich zum Vergessen
Bild: AnnA

Unser Gespräch driftet unverzüglich in Richtung

Loya-
Li-
Täts-
Prin-
Zip.

Wo gerade ich doch Prinzipien eher kritisch gegenüber stehe. Nicht direkt prinzipiell, klar, aber verdammt nah dran. Am Prinzipiellen eben.

Was sie aber nicht wissen kann.

So tropfen Worte vom ovalen Tisch dass es wie klackert und quecksilberne Pfützen sich auf gebohnertem Parkett bilden. Sie ist im Wesentlichen vorbereitet und hakt Punkt für Punkt das Protokoll für Krisengespräche ab.

„Also Krisengespräch“, denke ich, während zu meinen Füssen der Spiegel unendlich grösser wird.

Doch braucht sie mich mehr als ich (im Speziellen) sie, weil ich sozusagen als einzige Verbliebene noch im Boot hocke.

Die Arbeitskollegin hat vor geraumer Zeit ihr Zeugnis eingereicht und seither herrscht Dauerzustand. Also dauernd Zustand, obwohl besser als Umstand, meint Veilchenblau, die letzte Woche einen Job bei der Uni angetreten hat.

„Macht ist ‚ne n mal n Matrix und Janos dagegen ein Sandkastenbub“, geht mir durch den Kopf und keinen Schimmer, von wem das stammt. Wahrscheinlich aber Löffel.

Klar, dass ich mein Mundwerk nicht halten kann, heisst kaum zwei Minuten. Weil sie mir erstens zum Beispiel mal mächtig auf die Titten geht plus ich nur ungern mir was diktieren lasse. Was man natürlich besser wissen sollte, sagen wir mal in meinem Alter. Zudem ist sie klitzeklein im Recht, bloss hat das mit Loyalität dann gar nichts mehr zu tun. Oder konkret ALLES?

Wir befinden uns sowieso weniger in Philosophier- und/oder Plauderlaune, demnach muss das mal so stehengelassen werden.

Es folgt unvermeidliche Schweigephase, wo wir uns kämpferisch in die Augen starren und Wegschauen unoptional. Mir zumindest ist Demut längst verlustig gegangen, wobei Staunen mich erfüllt ob dem, was hinter verengten Irissen verborgen liegt.

Fazit? Ein Gespräch eigentlich zum Vergessen.

Und der Song dazu? Klar: Igorrr!


Tagebuch X / Simmentaler Nutzvieh

Simmentaler Nutzvieh spielt hier eine im Grunde eher untergeordnete Rolle. Für uns jetzt so. Man trifft sich einfach. Da und dort. Grüsst vielleicht.

Erstens mal muss man angekommen sein

Mit dem Zug nach Därstetten. Dort den Hügel hoch. Per Pedes. Wobei nach jeder Kurve sich ein neues Stück Weg entrollt. Und wieder. Und wieder. Derweil Sonne vom Himmel knallt. Unerbittlich. „So wirst du nicht alt!“, höre ich neben mir. Während im Gras die Grillen zirpen. Und am Himmel Bussarde kreisen. Noch dazu weibisch kreischen.

Zweitens ein Höhlentrip

Am nächsten Tag? Sonne hinter Wolken erahnt. Durch Wiesen geschlendert. Heugümpern entflohen. Berg runter. Berg hoch. Dann in einer Höhle schlammig geworden. Dass du Restaurant sowieso vergessen kannst.

Simmental (Bild: AnnA)

Zum Dritten aufs Stockhorn

Ganz oben endlich die Beiz. Unterwegs Kühe und alles. Die da im Wege stehen. Sich krumm lachen. Die Viecher. Manchmal auch Leute in Pelerinen. Rot. Gelb. Blau. Dabei nieselt‘s bloss. Und Hagel von vorhin war ein Klacks gewesen. Selbst schuld, wenn du nicht im Wirtshaus sitzt. Und sowieso: Wofür gibts dann Wetter-App?

La vache qui rit… (Bild: AnnA)

Vier?

Homo Simmentalensis? Na ja. Freundlich? Wacker übertrieben. Hilfsbereit? Keine Ahnung. Verschlossen? Durchaus. Unzugänglich? Trifft es auf den Kopf. (Mit statistischen Ausreissern. Korrelation: höchst.)

Erlenbach im Simmental (Bild: AnnA)

Tag X

Hab den Überblick verloren. Welcher Tag heute ist. Der wievielte? Ihr aber ist‘s sowieso egal. Kauft sich einen Rucksack. Pelerine inbegriffen. Gerade jetzt, wo’s sonnig werden soll.

Tag X + n = B*rig

Erneut im St. Ursula abgestiegen. Sie: „Ist ja sowas von kontemplativ!“ Worauf wir shoppen gehen. Und futtern.

Brig, St. Ursula (Bild: AnnA)

Tag X + n + 1 = Sion

Am Bahnhof quatscht mich einer welsch an. Mit Égü-E und allem. Später in einer Kirche gesessen, wo Orgel ab Band spielt. Denk so in mich hinein. Und wieder heraus. Weihrauch macht mummelig. Und hungrig sowieso.

Tag X + n + 2 = Ausserberg

Suonentunnel oberhalb Ausserberg. Die Kegel unserer Taschenlampen bestreichen glitzernde Wände. Kein Licht am Ende des Dunkels. Neben uns rauscht Wasser. Noch heute werden Dörfler damit versorgt. Dann ihre Sonnenbrille. Die da reinfällt. Weshalb? Frag besser nicht.

Auf der andern Seite wildwildes Tal. Sturmgefällte Bäume. Inkontinente Felsen. Steinschlagschneisen. Ehrfurcht? Ja, schon.

An einer Stelle gehst du über Brettchen. Unter dir der Schlund. Gleichzeitig cool sein geht nicht..

Foto: AnnA

Die andern Tagebücher

Tagebuch I handelt weit oben in den Bergen, Tagebuch II widmet sich dem Philosophischen und Tagebuch III will sich nicht festlegen. Während Tagebuch IV zutiefst Existentielles berührt, bleibt in Tagebuch V Raum für das Alltägliche. Derweil Tagebuch VII eher so die Kant-Schiene fährt. Tagebuch Acht? Schlangen, Kracht und noch ein Buch, dessen Autorin nicht genannt werden will. Im neunten hingegen spielen Nasensekrete eine wesentliche Rolle.

Tagebuch IX / Regen, Schnodder und (vielleicht) ein Nationalfeiertag

Regen fällt vom Himmel. Schnodder wird in der Schleimhaut gebildet. Und Nationalfeiertag lässt sich eigentlich nicht erklären.

Regen, Schnodder und (vielleicht) ein Nationalfeiertag
Kunsthalle Zürich (Bild: AnnA)

Der 30. Juni 2021 ist ein Regentag

Der Regen.
Es regnet.
Zum Beispiel.

Auf der Bank am 1. Juli 2021

Die Bank, auf der ich sitze und neben mir einer, der den Zinken hochzieht.

Heute kannst du keinem mehr trauen“, meint Veilchenblau. Und: „Gestern war nicht anders gewesen.“

Was man so stehen lassen muss, weil wo sie recht hat, hat sie recht.

Nationalfeiertag am 2. Juli 2021

Ein einig Volk.
Von Schwestern.
Und Brüdern.
Plus Nachspielzeit.
Verlängerung.
Elfmeter.
Aspirin.
Dafalgan.
Ibuprofen.
Zu kaltem Kaffee.
Im Morgenrot halt.

Noch so Tagebücher

Tagebuch I handelt weit oben in den Bergen, Tagebuch II widmet sich dem Philosophischen und Tagebuch III will sich nicht festlegen. Während Tagebuch IV zutiefst Existentielles berührt, bleibt in Tagebuch V Raum für das Alltägliche. Derweil Tagebuch VII eher so die Kant-Schiene fährt. Tagebuch Acht? Schlangen, Kracht und noch ein Buch, dessen Autorin nicht genannt werden will. In Tagebuch X werden Nasensekrete gänzlich ausgelassen, während Tagebuch XI mehr so Kultur pflegt.

Zur Abwechslung mal in Uster gestrandet…

Menschen säumen Bahnsteig. Tragen Masken. „Das Ende naht“, sagen die einen. Und andere: „Wir bleiben dabei!“

Uster? Da kommst du hin, wenn du den falschen Zug erwischst. Und sonst so? Keine Ahnung. Vor tausend Jahren hat Motörhead hier gespielt. In der Stadthalle. Woher ich das weiss? Manche Sachen vergisst du nie.

Werd (Foto: AnnA)

Am Samstag hingegen waren wir Grillen. Limmat. Musik. Gekühltes Bier. Auf dem Nachhauseweg kippt mein Fahrrad in einen gierigen Busch. Mit mir noch obendrauf. Während sie lacht, rapple ich mich auf und übe Deutsch. Bloss halb so wild.

Zum Tagesbeginn…

Home Sweet Home (Bild: AnnA)

Erstens: Dass ich mir vorkomme wie altes Handy. „Der Akku, Leute, der Akku“, schreit es aus mir heraus. Dann die Sache mit dem Update: Wie lange wird mein Modell noch unterstützt?

Japanischer Single Malt: Jeweils nächtens wenn ich schreibe. „Was da alles drin ist?“, frage ich mich draussen beim Rauchen. Alles Gummibaum.

Übrigens: Ich schlote Camel. Die Braunen. „Männerzigaretten“, sagt sie, die ständig davon nascht. Ich hingegen feile noch an einer eloquenten Entgegnung.

Zuletzt: Seit ich dieses Allezonen-Abo besitze, wünsche ich mir nichts sehnlicher als Ticketkontrolle. Wenn sie dann aber da gewesen war, macht dezente Enttäuschung sich breit.

Rohkunst im Musée Visionaire

Art Brut und so, heuer aber sind Studien von Naegeli ausgestellt: Dem Sprayer von Zürich. „Superbrut geht anders“, kommentiert meine Begleitung und auch ich denke: „Nett.“

Musée Visionaire (Foto: AnnA)

Anschliessend trödeln wir ein wenig rum und stossen beim Münster auf den Totentanz. War zwar bereits in Köln, aber gefallen tut‘s trotzdem. Und wenn dann eine mit Kreide noch Jesus drüber schreibt, ist das irgendwie lustig. Vor allem die Kreide.

Bienen

S12, weil’s anders nicht ging plus Summen im Kopf, das immer grösser wird. Ein Bienenschwarm, der alsbald ausser mich gerät, zudem Stettbach, wo die andere noch zusteigt.

Graffiti in der Innenstadt (Foto: AnnA)

Nettes Kleidchen, nette Schuhe, nette Frisur, sogar ihr Lächeln ist nett, den Kopf jedoch trägt sie voller Insekten, genauso wie ich. Welche nun ihre oder meine sind, frag ich mich, ob Aussortieren überhaupt noch gelingen mag? Weil, dass die den rechten Kopf finden, kannst du eigentlich vergessen.

Während wir uns schweigend in die Augen blinzeln, heisst es „Stadelhofen“ und Zug beginnt zu bremsen. Was, wenn sie mich verliesse, mir die Bienen stähle, oder ihre vergässe? Und ich für den Rest meiner Lebenszeit mit Summen geschlagen, welches mir nicht gehört, sondern einer anderen, die bloss zu- und wieder abgestiegen war?

Was dann?

Worauf ich sie an den Händen greife und nicht losslass, so sehr sie sich auch wehrt. Hand in Hand, Front an Front, was schön sein kann, prickelnd, es aber ganz und gar nicht ist.

Und Ende der Geschichte? Hab bis heute festgehalten, denn zusammen sind wir Eins und bleiben Eins, das kannst du so oder so sehen.

Schnee

Erst Morgenessen. Dann Piste. Weiss in Weiss. Und ein paar Pfähle. Um uns den Weg zu weisen.

Foto: Veilchenblau

Am Skilift dann einer, der meint, ich soll mir die Maske hochziehen und Veilchenblau, die dem Frieden zuliebe gerade noch die Klappe hält.

Kein Alkohol am Take-Away wegen der Verletzungsgefahr oder dass man sonst wie überschwänglich gerät.

Proxima Fermada

Foto: AnnA

Durch die Fenster des Zugs werden Bletzen geworfen und wie Leintücher über den Schnee geschliffen. Veilchenblau liest oder schläft, sonst befindet sich keine Seele im Abteil. Es ist leer. Die Reise will kein Ende nehmen. Und immer wieder:

Proxima Fermada,

Proxima Fermada.

Die Sache mit Mario

Wer die Idee gehabt hatte? Keine Ahnung. Sie vielleicht. Oder auch ich. Und der Coach nennt sich Mario (Name von der Redaktion geändert, du weisst schon).

Bern (Foto: AnnA)

Mario ist ein versteckter Macho, kein Zweifel, da brauch ich Veilchenblau nicht erst anzuschauen. Die andern beiden kennen sich erst seit Lockdown und wollen diesmal alles richtig machen. Mittvierziger mit Einwegticket nach Patchwork, etwa so sieht das aus. Wenn die dann noch Kinder kriegen, gibt‘s Nachnamensalat.

Mario chauffiert uns in Sessel, wo du erst nicht rein kommst und raus erst recht nicht. Während Veilchenblau sich durch ihre Kaugummibatterie frisst, schweife ich ab. Kommt mir gerade alles vor wie Sonstwo und Sonstwo ist schön. Er blättert seinen Foliensatz durch und hält Vortrag. Dann die Sache mit den Gesprächen. Wobei Veilchenblau mich à la Biopraktikum studiert: DiStanZiert. Zudem repetiert sie penetrant, was ich von mir gebe. Wort. Für. Wort. Lässt sich nicht beirren. BiTerErnst. Und Mario? Feuert sie noch an. „Gut so“, sagt er andauernd und blinzelt ihr anerennend zu. Meinerseits wird’s mulmig zumute. Plötzlich hat alles mit mir zu tun. Meinen Gefühlen etwa.

Am Abend gehen wir dinieren, und unterhalten uns. Trinken Bier. Auf dem Nachhauseweg die Sinnfrage. Am andern Morgen braucht‘s Aspirin und Ausschlafen wär dann auch nicht schlecht gewesen.

Veilchenblau

Berlin (Foto: AnnA)

Und Veilchenblau? Veilchenblau ist eine andere Geschichte. Wie Sex Pistols im Karnickelkostüm. Das sprengt den Bau, etwa so gedacht.

Was so durch den Kopf geht

Foto: AnnA

Erstens, das Rauchen

Aufgestanden, geduscht, dann Nikotinpflaster aufgeklebt. Direkt über der Brust sei unsexy, moniert Veilchenblau und steckt sich eine an. Am Bahnhof dann tu ich dasselbe, anschliessend schmeiss ich das gekaufte Päckli in den Mülleimer. Einer schaut mich fragend an, schüttelt den Kopf. Minus acht Franken, und schon bereu ich‘s.

Zweitens, der Mandalorianer

This is the Way. So oder so. Niedliche Babys retten. Drachen sprengen. Es muss nicht immer alles so verdammt kompliziert sein, das kannst du daraus lernen. Hauptsache Rüstung und, dass man dein Gesicht nicht sieht.

Drittens, die Wahl

Alle vier Jahre mal. Dazwischen ist davor und davor wiederum dasselbe. Heisst Auswahlen, weil wählen geht anders. Aber wie denn? Veilchenblau jedenfalls meint, dass sie kurz davor stehe, Monarchistin zu werden. Ist mir aber egal, solange nicht Monarchin. Wäre schlecht für‘s Gleichgewicht. Unser Gleichgewicht. Übrigens, gestern noch hat sie Anarchie gepredigt.

Hölloch III

Dann haut unser Guide dem Mann eine runter, dass dem sein Lachen schlagartig vergeht, wortwörtlich, wobei auch das Stirnlämpchen den Geist aufgibt.

“Höhlenkoller kann schon mal vorkommen”, murmelt der Führer und nestelt in seiner Wachstasche nach einem Ersatzlicht. So sieht dann also Deeskalation aus, denke ich und bin mal gespannt, wie’s weitergeht. Aber nichts geht weiter, rein gar nichts, ausser, dass es von der Decke seicht. Decke? Ein ausgewachsener Berg. Endlich die Frau: „Jusqu‘ici tout va bien, jusqu‘ici tout va bien“, worauf ich mich beinah nass mache vor Lachen. Nicht, weil es die Geschichte von dem ist, der aus dem 40. Stock eines Hochhauses springt, sondern gerade andersrum.

Foto: AnnA

Mehr gibt‘s eigentlich nicht zu erzählen, kannst dir ja selbst was vorstellen. Die Frau haben wir bei uns auf die Rückbank gepackt, weil alles andere wär brutal gewesen und unterwegs halten wir an, um bei Salvi & Gino eine Pizza zu essen, was entspannt, oder sonst halt der Chianti. Nachts fahr ich ja nie, wegen der Augen, und Veilchenblau hält sich generell eher zurück mit Alkohol (was seine Gründe hat). Die Frau hingegen mag Grappa und am Ende stellt sich heraus, dass auch sie Radieschen kennt. Radieschen? Na, Radieschen und Löffel, die du meist an Konzerten triffst oder sonst, wo‘s laut wird. Wenn nicht gerade Corona, auch klar.

Hölloch II

Ich zuhinterst als Schlusslicht gesetzt, dann die beiden Turteltäubchen und Veilchenblau gleich nach dem dem Guide. An die Reihenfolge müsse man sich im Fall halten, sagt er zu uns, worauf sie die Augen verdreht, weil Polonaise weniger ihr Ding.

Ab sofort geht’s ums Überleben, sagt er, heisst wir und mehr als zweihundert Kilometer Höhle um uns. Jedenfalls wird‘s nach wenigen Schritten verdammt nochmal pechschwarz, was man sich auch bei ausgeknipster Nachttischlampe nicht annähernd vorstellen kann. Flink wie Gollum krabbelt der Guide übers nasskalte Gestein, während wir mehr froschartig hinterherhüpfen und -rutschen, durch Spalten und Gänge hinunter, weiter, weiter, immer weiter, dass ich mich dann schon mal frage, wie wir wieder nach Hause kommen. Weil eines ist klar: Eingang gleich Ausgang und vergiss das Hintertürchen, weil, gibt es nicht. Erst Reue und Sehnsucht nach Welt, egal wie trist die auch gewesen sein mochte, dann aber setzt Gewöhnung ein. Man ist ja auch bloss Mensch, und Menschen gewöhnen sich.

Unter Tags (Foto: Fredy)

Das Pärchen vor mir kriegt es hin, sich lautlos zu zoffen, was wie radiale Druckwellen durch die Finsternis presst. Veilchenblau hingegen ist total begeistert von der ganzen Plattentektonik und weint beinahe, als Gollum ihr erzählt, dass es sich bei der hölen Höhle um ein allmählich sterbendes System handle. Er, für den wir anderen schon gar nicht mehr existieren und ich mir überlege, wann der das letzte Mal durchgezählt hat. Sie aber geniesst die Zuwendung dermassen, dass mir speiübel wird. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir den unterirdischen See, wo‘s dann nicht mehr weiter geht, nicht mehr tiefer hinunter, ausser eben, du tauchst.

Jusqu‘ici tout va bien“, flüstert der Mann, „Jusqu‘ici tout va bien“, und bricht spontan in schallendes Gelächter aus. Jetzt stell dir mal vor, du steckst in einem der grössten Höhlensysteme Europas, während einer Shining spielt. Ist da etwa ein Schild Ausgang? Nein. Oder: “Mr. Scottie, beam mich rauf?” Vergiss es, du weisst es genau. Veilchenblau tut, was Veilchenblau in solchen Situationen immer tut und steckt sich einen Glimmstängel zwischen die Lippen. Bietet auch der Frau einen an, die gierig danach greift. Ich hingegen summe lautlos eine Melodie von Agalloch, welche mir nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Die vielleicht sogar meine letzte sein wird, Himmelarsch.

Hölloch

So oder so heisst er, der Führer, weil’s einen braucht hier, wo Finsternis gähnt, und jede Menge noch dahinter schlummert. „Gott bleibt draussen“, brummelt er, „ab jetzt gibt’s bloss noch mich“.

Hölloch, beim Wärterhäuschen (Foto: Veilchenblau)

Im roten Overall schaut Veilchenblau aus wie Gina Gershon in Bound, bloss, dass sie dazu noch den schief sitzenden Helm mit Lämpchen trägt. Dann sind da noch zwei andere, sie und er, die daherkommen wie Paartherapie, heisst exaltiert vor sich auf der Hut gleich jede noch so kleine Geste total bedeutungsüberladen.

Ob in der Hölle geraucht werden darf, fragt Veilchenblau, der Guide aber merkt an, dass mit Hölle es gerade gar nichts zu tun habe, da höl nicht höll, sondern glitschig wie rutschig. „Ah!“, lässt Mann zum ersten Mal sich verlauten, während seine Begleiterin irgendwo ins Schwarze stiert, und davon gibt’s viel. Also doch Paartherapie, erstens, und zweitens kann‘s noch heiter werden.

Veilchenblau derweil zündet sich ‘ne Kippe an, und meint, dass man eben nie wisse, welche die letzte sei, was eben das Schöne und gleichzeitig Geheimnisvolle am Schloten. Worauf die Frau um eine bittet, weil so herum habe sie es noch nie betrachtet. Also brenn auch ich mir eine an, und sogar der Guide nestelt was selbst Gedrehtes aus der Tasche, während Mann sich umständlich auf den Boden hockt, und mit seiner Stirnlampe SOS spielt. Blink, Blink, Blink, und so weiter…

Sonntag, 27. September 2020 / Paul Gugelmann

Paul Gugelmann in Schönenberg gleich Gugelmann-Museum, und da hast du gleich noch den Link dazu.

Gugelmann-Museum (Foto: AnnA)

Erst nach Aarau, dann der Aare entlang, wobei ich meine, dass die falsch rum fliesst. Veilchenblau versucht zu erklären, doch geht das Geografische mir am Arsch vorbei. Erkenne grad so den Uetliberg proper und auch das bloss, weil es so viele davon gibt. Hügel mit Masten, wenn du weisst, was ich meine.

Jedenfalls der Aare entlang, der schönschönen Aare und am Horizont das Gewölk Gösgens, was ausschaut wie Flaschengeist im Endstadium. Dazu schwarze Pappeln mit tausend kleinen Händchen applaudierend, sowie Hündeler, die scheel uns beäugen, worauf Veilchenblau ihre Punkallüren auspackt und jene Fersengeld geben, was mir dann peinlich ist. Manchmal vergesse ich einfach, dass es ein Vorher gegeben hat, ein Vor-uns sozusagen.

Gugelmann Museum (Foto: AnnA)

Das Museum ist in einem unscheinbaren Gebäude untergebracht, und er, der Gugelmann, wohnt gegenüber. Kann sich scheint’s nicht von seinen Werken trennen, weshalb die eine Hälfte bei ihm zu Hause steht, die andere das Museum füllt. Hatte früher bei Bally gearbeitet, Abteilung Damenschuh, und nebenher zu Hause Kunst fabriziert. Apparate, welche man aufziehen kann, oder sonst wie angetrieben werden, Maschinen, die klingen, wozu sich allerlei Figürchen oder Figuren trickreich so oder anders bewegen.

Dann aber geraten Veilchenblaus Haare blöd in eine Winde, und werden partout nicht mehr ausgespult, weil Mechanismus halt bloss in eine Richtung funktioniert. „Wie im echten Leben“, hatte der Mann gerade noch philosophiert, doch die Sache mit der Frisur war ihm zum Glück entgangen. Dabei wird hier mal echt echtes Leben serviert, vor allem, wenn du Veilchenblau und ihre Methoden ein wenig kennst. Sie danach ordentlich kleinlaut, mummelt alle paar Minuten durch die Maske, dass sie eins rauchen will. Oder jede Führung mal ein Ende haben sollte.

Gugelmann-Museum (Foto: AnnA)

Mittwoch, 24. September 2020 / Der Weg

Ich trete aus dem Schatten des Hauses mitten unter den ausgezählten Nachthimmel und zünde mir eine Zigarette an.

Steh ein bisschen rum, geniesse Stille der Dunkelheit und schnupper frische Morgenluft. Dann aufs Rad geschwungen, losgetreten, die glimmende Kippe à la Eastwood noch immer zwischen den Lippen, was ich mir abgewöhnen muss, Un Be Dingt, nicht aber jetzt, weil jetzt ist’s egal.

Denken tu ich NIX, ausser das beleuchtete Stück Strasse vor mir und jene Trauerweide, welche nicht die Bohne betrübt übers Mäuerchen winkt. Hamilton mein Freund und Freud der Feind, etwa so, dann quer über den Platz und weiter im Windschatten eines 33ers, woraus Menschen glotzen wie Paviane im Affenhaus.

Albisriederplatz (Foto: AnnA)

Graupel stechen auf der Haut, als ich den Anstieg zur Brücke bewältige und, dass eine auf dem E-Bike mich gerade vor dem Lichtsignal noch kriegt, muss ich so stehen lassen. Als aber die Ampel sich begrünt, schneide ich wie zufällig ihren Weg, dass sie flucht und unbeholfen über den Randstein holpert. Vergiss nie die innere Balance, sag ich mir, bloss Gutmensch, da gehst du mittellang kaputt. Am Ende etwa stellt das Gute sich dann meist als falsch heraus und da hast du dann den Dreck. Ade Mutter-Theresa-Komplex als Bonus noch dazu, das alles, bevor es richtig hell geworden ist.

Fahrrad verkettet, twinter ich mir den verdienten Macchiato, den Rest kannst du dir selbst ausdenken oder es bleiben lassen.

Foto: AnnA

Mittwoch, 12. August / K

Alles ist neu

K lässt nicht los. Mich nicht los. Dabei braucht es immer 2. Er aber sagt, das sei Quatsch. Einer genüge. EineR. Dann Veilchenblau. Die ich mal so nenne. Wegen der Augen, klar. Veilchenblau. Streicht mir über den Rücken. Hält mich. Und ich muss lachen. Immer wieder neu. Das gilt dann mal.

Foto: AnnA
Foto: AnnA