Rauchfahnen

Rauchfahnen hängen schief von Dächern schmucker Kleinfamilienhäuser. Worin Erziehungsberechtigte widerwillig Corona feiern und Kinder sich erleichtert auf den Weg zur Schule machen.

Foto: AnnA

Mit dem Schliessen der Türe verzieht Mutters Gesicht sich zum bildschirmblauen Superschrei, während dem Vater sein Schatten geistreich beige Wände bestreicht. Schmerzhafte Stille, sinniert dieser und imaginiert, was wäre WENN, aber Scheiss auf WENN, scheiss auf den Konjunktiv.

Scheiss drauf, denkt Mutter gleichsam, weil Himmel im Fenster abgestanden nach Apokalypse riecht derweil Sonne aus Pappmaché kaum mehr als hehre Pflicht erfüllt. Am Bildschirm nicken flackernd aufgepfählte Menschenschädel, als ob noch Leben drinnen steckte, aber denkste, sie sind tot.

Ihn derweil juckt‘s wie blöd an den Testikeln. Bloss gut, dass er Pyjama trägt, eins mit blauen Streifen, worin sich‘s leichter kratzen lässt. Worauf sie den Küchentisch besteigt, den Proletentanz übt und dazu die Internationale singt:

Debout! Les damnés de la terre!
Debout! Les damnés de la terre!
Debout! Les damnés de la terre!

Debout! Les damnés de la terre,

stimmt Vaters Tenor mit ein, denn singen kann er, Singen ward ihm in die Wiege gelegt und Singen macht frei. Plötzlich dünkt ihn alles wie früher, alles wie nicht gewesen, doch nichts ist nicht gewesen, nichts wird aus wieder nicht nichts, aber egal, sagt er sich, man wird ja wohl noch atmen dürfen!

Und Mutter?

Streifen, denkt sie völlig losgelöst,
Streifen geht ja überhaupt gar nicht.